Bad Ems

1933: Das Berliner Ärzte-Kommando (Seite 1)

Ein zugereister Mediziner soll die Emser Ärzteschaft auf nationalsozialistische Linie bringen: Dr. Wolfgang Hermann Evan Gustav Klaue kommt bereits 1932 nach Ems, im Alter von 37 Jahren übernimmt er als „Badearzt” die gut gehende Praxis des verstorbenen Sanitätsrats Dr. med. Carl Reuter. Klaue ist kein würdiger Nachfolger des hochgeachteten, engagierten und beliebten Mediziners, er wird viel Unruhe in der Kurstadt stiften. In Berlin Nordwest ist er von 1931 bis 1933 unter der Adresse NW 7, Schumannstraße 20-22 als Assistenzarzt gemeldet, nach eigenen Angaben arbeitete er in der benachbarten Charité. Mit Ende der Kursaison im Herbst 1932 verlässt er seine neue Wirkungsstätte und kehrt nach Berlin zurück, aber bereits Anfang 1933 kommt Dr. Klaue mit einer Gehilfin wieder.

Dr. Conti, Mitglied des Preußischen Landgesundheitsrates, Ministerialrat des Preußischen Innenministeriums und bald Deutschlands höchster Ärztefunktionär hat den Berliner SA-Sturmbannführer und Parteigenossen als „Sonderbeauftragten” zur „Gleichschaltung” an die Lahn zurückgeschickt. Dort versucht es Klaue zunächst mit Drohungen und Intrigen, verstrickt sich damit aber in Klagen und Prozesse. Schließlich bedrängt er seine Kollegen in der Kurstadt mit Nötigungen, dann setzt er sie dem Druck der SA aus. Und die „Emser Zeitung” macht mit markigen Sprüchen Stimmung für den Umbruch in die „neue Zeit”: „Die große nationale Revolution hat ein Wort geprägt: „Gleichschaltung!”, das in seiner Gesamtwirkung eine ganz außerordentlich weittragende Bedeutung gewonnen hat [...] Die überall mit bewundernswerter Folgerichtigkeit von oben und von unten durchgeführte Gleichschaltung bei den Behörden, der Wirtschaft und auf kulturellem Gebiet bürgt allein für volles Gelingen der Riesenaufgabe. [...] Auch in Bad Ems hat man von der Gleichschaltung schon manches gesehen und erlebt, aber es ist bisher nur ein Anfang gewesen. [...]”

Am 3. Mai 1933 meldet die Lokalpresse: Durch Verfügung E/B/NSDÄB vom 20.4.1933 ist Herr Dr. Wolfgang Klaue, Bad Ems, Römerstraße 42, Sturmbannarzt 1/87, bevollmächtigt worden, im Auftrag des Reichkommissars für das Gesundheitswesen, Ministerialrat Dr. Conti, Berlin, im Sinne der Gleichschaltung nach den Richtlinien in Bad Ems die erforderlichen Umstellungen innerhalb der Ärzteschaft und ihren örtlichen Organen vorzunehmen. Um die Gleichschaltung zu ermöglichen, ist daher der Vorstand des Emser Ärztekollegiums, vertreten durch die Herren Sanitätsrat Dr. Stemmler, Dr. Feigen, Sanitätsrat Barthels, zurückgetreten. Herr Dr. Feigen hat außerdem sein Amt am Hospitalbad und am Heim für Gelehrte und Künstler (Haus „Vier Türme”) niedergelegt. Das Genesungsheim für „Gelehrte und Künstler” ist seit Jahrzehnten in der Stadt eine feste Institution, gefördert von bekannten Persönlichkeiten des Deutschen Reiches und von großzügigen Gönnern im Ausland: Bis zur braunen Wende zählen Politiker, Bankiers, Verleger, Forscher und Künstler zum Kreis der Sponsoren, unter anderen der preußische Ministerpräsident Otto Braun, Prinz Aribert von Anhalt-Dessau, Dr. hc. Gerhart Hauptmann (Schriftsteller, Agnetendorf), Dr. hc. Rudolf Mosse (Verleger, Berlin), Volkskommissar Malutin (Moskau) – und Professor Dr. Einstein (Berlin), offensichtlich handelt es sich dabei um den späteren Nobelpreisträger Albert Einstein. Im Vorstand dieser bisher von Juden und Christen verwalteten Einrichtung sitzt seit der Gleichschaltung der weniger judenfreundliche Dr. Josef Diener neben dem berüchtigten Dr. Klaue, und er wird bald einer der engagiertesten Nationalsozialisten des Emser Ärztekreises.

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