Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten zog es immer wieder zum Emser Golfplatz, William T. Tilden („Big Bill”), amerikanischer Tennis-Star der Dreißiger Jahre und siebenfacher Gewinner des Davis-Pokals, jagte auf Emser Boden hinter den Bällen her. Der Scheich von Sansibar aber auch andere gekrönte und ungekrönte Persönlichkeiten fanden in Bad Ems Entspannung.
Deutsche Generäle schmiedeten in der Lahngemeinde entscheidende Phasen des Westfeldzugs und wenige Jahre später die letzten Rückzugsgefechte. 1944 wurde das Haus „Vier Türme” zur „Reichskalorienzentrale”, Wissenschaftler haben in diesem Gebäude über das Schicksal von Millionen Menschen entschieden. Das aus Dortmund evakuierte Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie plante und steuerte hier unter anderem Großversuche mit Zwangsarbeitern zur Erforschung der Zusammenhänge von Ernährung und Leistung. Der spätere Mitbegründer der Deutschen Welthungerhilfe, Professor Heinrich Kraut errechnete dafür auf Mindestmaß begrenzte Verpflegungsrationen.
Der Bad Emser Hotelierssohn Werner Unverzagt, in jungen Jahren Weltenbummler, Eintänzer und Gigolo auf internationalem Parkett stand für Abwehr-Chef Canaris an der Westfront und machte dort eine beachtliche Agenten-Karriere. Andere hochkarätige Spione tauchten in Bad Ems unter, aber auch eine Großnichte des Hitler-Attentäters von Stauffenberg suchte hier Zuflucht, die Gestapo schickte sie in Sippenhaft. Spezialisten der Abwehr und SS starteten von hier Geheimaktionen, unter anderem Aktionen gegen die Brücken in und um Arnheim, sie versuchten auch den Vormarsch der US-Truppen über die „Brücke von Remagen” zu stoppen. Sabotagetrupps und Sonderkommandos der SS bereiteten sich im Schutz der Kur- und Lazarettstadt auf Einsätze im Operationsgebiet des Gegners vor, in Bad Ems waren Leitstellen der deutschen Agentennetze installiert, die Spitzen der aus Frankreich geflohenen deutschen Nachrichtendienste hatten sich mit ihren ausländischen Kollaborateuren hier eingenistet. Von Abwehr-Leuten aus den geräumten Besatzungsgebieten herbeigeschafftes Raubgut wurde bei Nacht und Nebel in geheimen Bergverstecken über dem Kurort eingelagert.
Zwei US-Armeen eroberten am 27. März 1945 Bad Ems, vier Wochen später wurde die Stadt Hauptquartier der 106. US-Division, hier haben amerikanische Dienststellen über das Schicksal von mehr als 600 000 deutschen Kriegsgefangenen in den Rheinwiesen und im Raum Kreuznach entschieden, Tausende krepierten dort an Hunger und Epidemien.
Am 10. Juli folgte die nächste Besatzungsmacht, die Lahngemeinde wurde Stabsquartier der französischen Nordzone und der 10. Division. General de Gaulle kam am 3. Oktober 1945 nach Bad Ems und eröffnete im Kurhaus ein Festbankett, Konrad Adenauer, sein späterer Verhandlungspartner knüpfte dort schon im Sommer 1945 Kontakte zur französischen Führung.
Die FDP schlingerte bei einem ihrer ersten Bundesparteitage im Emser Kurhaus unter dem Druck ehemaliger Nazi-Größen auf gefährlichen Rechtsaußen-Kurs. Und dort kam es wenig später zum bedeutendsten, aber bisher kaum beachteten Nachkriegsereignis: Bundeskanzler Adenauer empfing während einer Tagung in Bad Ems ein Telegramm aus Washington („Washingtoner Depesche”). Es enthielt die sensationelle Nachricht, dass die Konferenz der Außenminister von Amerika, England und Frankreich das Besatzungsstatut aufheben, Deutschland die Souveränität zurückgeben und als gleichberechtigten Partner anerkennen wollen.